Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger der Stadt Tharandt,

Sie haben sicher alle den Spendenaufruf des Stadtrates und der Stadtverwaltung zugunsten der Opfer der Unwetterkatastrophe im Westen der Bundesrepublik in Ihrem Briefkasten gefunden. Hoffentlich haben Sie ihm auch etwas Beachtung geschenkt.

Vielleicht haben Sie sich gefragt, warum der Spendenaufruf ausgerechnet zugunsten der Verbandsgemeine Südeifel erfolgte. Dahinter steckte einzig und allein der Gedanke, einen Aufruf zugunsten einer konkreten Kommune zu starten, vielleicht auch einer, die nicht ganz so im Focus der Medien steht, die aber auch dringend der Unterstützung bedarf.

Also wurde kurzerhand vor Ort nachgefragt. Ein Freund und Kollege von mir, Eike Jablonski, Präsident der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft, den ich glücklicherweise erreichen konnte, wohnt in dem kleinen Ort Kruchten in der genannten Verbandsgemeinde. Kruchten hat 372 Einwohner, liegt etwas höher und ist im Vergleich zu den umliegenden Dörfern weitgehend verschont geblieben, wenn auch die Keller vollgelaufen sind. Der kurze Bericht von Eike am Telefon war erschütternd.

So konnten unser Bürgermeister Silvio Ziesemer und weitere Stadträte fraktionsübergreifend dem Vorschlag zu einem Spendenaufruf zugunsten dieser Gemeinde kurzfristig zustimmen. Es ist ja auch Eile geboten.

Nachfolgend lesen Sie noch einen kurzen Bericht, den mir Eike schnell zwischen den Arbeitseinsätzen geschrieben hat. Er zeigt etwas das ganze Ausmaß und lässt schlimme Erinnerungen an 2002 aufkommen.

Ich hoffe sehr, dass Sie dem Spendenaufruf folgen können. Hilfe ist so dringend nötig. Natürlich ist sie auch an anderen Orten nötig, die Schäden sind dramatisch. Also jede Hilfe zählt.

Ulrich Pietzarka

Fraktionsvorsitzenden FWG


Hallo Ulrich,

ich finde es eine wirklich sehr tolle Idee, die ihr da in Tharandt macht!

Warum die Südeifel (außer dass ich hier wohne)?:

Die VG Südeifel liegt in zwei Naturparks (Deutsch-Luxemburgischer Naturpark und Naturpark Südeifel. Daran kann man schon ersehen, wie alles hier geprägt ist: Mittelgebirgslandschaft, Wald und Landwirtschaft (große, wohlhabende Bauern gibt es kaum), viele kleine Ortschaften, kleine Gewerbebetriebe, Tourismus spielt eine große Rolle. Relativ schlechte Verkehrsanbindung, manchmal kein Internet oder Telefonnetz, viele kleine Flüsse, die sich nun in reißende Ströme verwandelt haben. Die VG und ihre Einwohner sind nicht reich, die Westeifel ist strukturschwaches Gebiet.

Die VG hat es hart getroffen. Die tieferliegenden Nachbardörfer um uns herum sind stark beschädigt, in Irrel jedes 3. Haus, Prümzurley, Bettingen, Mettendorf, Sinspelt usw. waren teilweise. nicht erreichbar, noch heute gibt es eine Gemeinde ohne Zuweg, da die einzige Straße weggespült ist, erreichbar nur über einen Forstweg. Zum Glück haben wir keine Toten, aber Verletzte, und auch komplett zerstörte Häuser. Habe gestern riesige Müllberge entlang den Straßen gesehen, die Hälfte der kleinen Supermärkte sind geschlossen, einige bis Ende des Jahres, wie gesagt wurde.

Großartig die Hilfsbereitschaft untereinander, die vielen kleinen Frw. Feuerwehren waren im Dauereinsatz und sind jetzt zur Hilfe im Ahrkreis, bei Schuld usw.

In den Medien war die VG nicht sehr präsent, da es anderswo noch viel schlimmer bestellt ist. Aber auch hier gibt es unvorstellbare Auswirkungen, die kleine Nims z B ist sonst 2 m breit und war Donnerstagnacht tlw. 200 m breit. Unsere Heizungsfirma, die ich wegen der nassen Pellets kontaktiert habe, hat Büro, Lager und Sanitär-Ausstellung verloren sowie sechs Fahrzeuge. Die berühmte überdachte Holzbrücke über die Irreler Wasserfälle, eine Touristenattraktion, ist fortgespült samt dazugehörigen Felsen und müsste, wenn sie jemals wieder aufgebaut wird, 200 m lang werden (statt 40 m wie bislang). Viele Landwirte haben Milchvieh verloren, viele Pferde sind ertrunken, das Getreide ist vielerorts unbrauchbar kurz vor der Mahd und wenn es noch steht, sind die Flächen so verdreckt, dass es nicht mehr genutzt werden kann und wegen des Gerölls die Flächen nicht mit normalen Gerät gemäht werden kann. Auch die Grassilage ist in vielen Gebieten unbrauchbar und verrottet jetzt wohl auf den Wiesen. Viele Straßen und Brücken sind immer noch gesperrt, was u.a. dazu führt, dass Lieferungen nicht erfolgen oder Bauern ihre Milch seit Tagen nicht abfahren lassen können. Heizöltanks sind im Wasser mitgerissen, die Schäden durch Umweltverschmutzung sind noch gar nicht absehbar. Die Gegend ist durchgehend katholisch, den Verstorbenen wird jahrelang gedacht. Umso bestürzender für viele ist die Zerstörung bzw. das Verschwinden von Friedhöfen, etliche der alten Dörfer hatten diese am Fluss liegen seit Jahrhunderten. In einem Dorf mit nur knapp 40 Einwohnern, 10 km von uns entfernt, ist dies z.B. so. Die vielen an den Flüssen liegenden Campingplätze sind stark getroffen, angeschwemmte Wohnwagen findet man nun im gesamten Gebiet.

So, ich hoffe, ich langweile dich nicht, aber das alles spielt sich in unserem unmittelbaren Umfeld ab, unser Nachbar hat gestern in Schuld (Hilfseinsatz der Feuerwehr) einen Toten auf der Baggerschaufel gehabt und möchte dort nicht mehr arbeiten, alles solche Dinge, die einen nicht unberührt lassen. Ein Bauer aus unserem Dorf hat versucht, mit seinem schweren Schlepper Holzstämme vor einer Brücke zu entfernen, wurde dabei umgerissen und hat mit knapper Not überlebt. In einem anderen naheliegenden Ort wurden zwei 80jährige Bewohner eines Hauses, dass am Fluss liegt und wo das Wasser bis zur Zimmerdecke stand, aus dem ersten Stock aus dem Fenster gerettet (in einer Baggerschaufel), und in dem Moment stürzte hinter ihnen das Haus ein (man hörte schon die ganze Zeit die Balken krachen), aber sie haben überlebt und der Bagger konnte gerade rechtzeitig aus der Flutlinie fahren. So viele derartige Geschichten haben wir schon gehört und Vieles gesehen, und selbst sind wir nun seit einer Woche am Räumen, aber haben ja wirklich alles in allem Glück gehabt.

So, lang geworden, vielleicht. kannst du einige Infos davon verwerten. Ich möchte mich bei dir nochmals bedanken für diese tolle Aktion.

Viele Grüße,

Eike


Update 25.07.2021

Wir haben einige Foto aus der Region von unserem Mitglied Falk Schlegel erhalten – vielen Dank dafür. Dabei auch die zerstörte Brücke über die Irreler Wasserfälle.